NGC 7635 und M 52: Ein kosmisches Doppelpanorama


NGC_7635_M_52
Ort: Schwedt/Oder; Datum: 17.09.2025; Uhrzeit: 22:40 - 23:45 Uhr
Teleskop: Seestar S50; 216 Bilder je 10 s = 36 m in 4K-Qualität unter Verwendung der Anti-Tau-Funktion.
Gestapelt mit der Seestar APP, erste Bearbeitung mit der Seestar App (AI Denoised und allgemeine Anpassungen), zweite Bearbeitung mit der Fotos APP auf dem iPad (allgemeine Anpassungen).

Willkommen in einer kosmischen Nachbarschaft, die fast 9.000 Lichtjahre von uns entfernt liegt. Diese Aufnahme zeigt in einem einzigen Bildfeld zwei atemberaubende und fundamental unterschiedliche Himmelsobjekte: den geisterhaften Blasennebel (NGC 7635) und den funkelnden offenen Sternhaufen Messier 52 (M 52). Während der eine ein kurzlebiges Kunstwerk einer gewaltigen Sternexplosion ist, stellt der andere eine dichte Ansammlung von Sternen dar, die durch ihre gemeinsame Gravitation für Äonen zusammengehalten werden. Diese Gegenüberstellung von zarter Struktur und stellarer Gemeinschaft macht dieses Foto zu einem ganz besonderen Blick in die dynamische Natur unseres Universums.

NGC 7635 – Die kosmische Seifenblase


Im oberen Teil des Bildes schwebt der faszinierende Blasennebel (NGC 7635), eine scheinbar perfekt geformte Struktur, die wie eine Seifenblase im dunklen Kosmos schwebt. Bei dieser „Blase“ handelt es sich jedoch um alles andere als etwas Fragiles: Sie ist der Schauplatz gewaltiger Kräfte.

Im Zentrum dieser kosmischen Erscheinung (in der Blase Mitte links) sitzt der extrem massereiche und heiße Stern SAO 20575. Doch anders als man vielleicht vermuten könnte, ist dieser Stern nicht der Ursprung der gewaltigen Gaswolke, die ihn umgibt. Ganz im Gegenteil: Die gewaltige Molekülwolke war zuerst da. Sie ist der kosmische Geburtskokon, eine kalte, dichte Ansammlung aus Gas und Staub, aus der sich dieser Stern vor vergleichsweise kurzer Zeit unter ihrer eigenen Schwerkraft formte.

SAO 20575 erweist sich jedoch als undankbares Kind seiner eigenen Wiege. Mit seiner immensen Energie geht er grausam mit seiner Umgebung um:
  • Seine intensive ultraviolette Strahlung bombardiert die ihn umgebenden Wasserstoffatome der Gaswolke. Diese Strahlung ist so energiereich, dass sie den Elektronen der Wasserstoffatome ihre Bahnen entreißt – ein Vorgang, den man als Ionisation bezeichnet.
  • Gleichzeitig schleudert der Stern mit seinem stellaren Wind – einem Teilchenstrom von unvorstellbarer Geschwindigkeit und Stärke – das umgebende Gas nach außen weg.
  • Diese beiden Kräfte wirken gemeinsam: Die UV-Strahlung ionisiert das Gas und bereitet es sozusagen vor, während der Sternwind es wie ein kosmischer Sandstrahl von innen nach außen aushöhlt und die sichtbare Blase formt. Die komplexen Strukturen und Filamente, die die Blase umgeben, sind dichtere Regionen der ursprünglichen Molekülwolke, die diesem erosiven Druck vorläufig noch standhalten.

Warum leuchtet der Nebel nun aber in diesem charakteristischen Rot?
Das Leuchten ist die direkte Folge der Ionisation. Wenn die losgerissenen Elektronen nach einer Weile wieder von Wasserstoffkernen eingefangen werden und auf eine niedrigere Energiestufe fallen, emittieren sie Energie in Form von Licht. Eine bestimmte, sehr intensive Wellenlänge dieses Lichts liegt im rötlichen Bereich und ist als H-alpha-Linie bekannt. Dieses charakteristische Leuchten des ionisierten Wasserstoffs macht den Blasennebel zu einer spektakulären H-II-Region und verrät uns die physikalischen Prozesse, die in ihm ablaufen. Der Nebel strahlt also nicht "aus eigener Kraft", sondern wird durch die brutale Energie des Sterns in seinem Herzen zum Leuchten angeregt – ein gleichermaßen gewalttätiges wie atemberaubend schönes Schauspiel.

Name: NGC 7635, Blasennebel, Bubble Nebula
Typ: Emissionsnebel / Blasennebel (H-II-Region)
Sternbild: Kassiopeia
Entfernung: ca. 7.000 - 11.000 Lichtjahre
Durchmesser: ca. 10 Lichtjahre
Zentralstern: SAO 20575 (BD+60°2522), ein Wolf-Rayet-Stern

Messier 52 – Ein funkelnder Sternenschwarm


In der unteren Hälfte links im Bild funkelt Messier 52 (M 52), ein offener Sternhaufen, der einen faszinierenden Kontrast zum zarten Blasennebel bildet. Während NGC 7635 ein kurzlebiges, sich ständig veränderndes Gebilde aus Gas ist, repräsentiert M 52 die stabile, langlebige Seite der kosmischen Evolution: eine große Familie von Sternen, die durch ihre gegenseitige Anziehungskraft für Millionen von Jahren zusammengehalten wird.

Solche offenen Sternhaufen sind, genau wie der Blasennebel, in großen Molekülwolken entstanden. Im Fall von M 52 kollabierte eine solche Wolke vor etwa 35 Millionen Jahren unter ihrer eigenen Schwerkraft, und in ihrem Inneren entstanden nicht nur ein einzelner Stern, sondern hunderte, vielleicht tausende Sterne gleichzeitig in einer Art "Starburst"-Ereignis. Diese Sterne sind daher Geschwister – sie teilen dasselbe Alter und haben sich aus derselben Urwolke materiell gespeist. Im Gegensatz zu Kugelsternhaufen, die alt und dicht gepackt sind, sind offene Haufen wie M 52 lockerer strukturiert und astronomisch gesehen relativ jung.

Was wir heute sehen, ist der überlebende Kern dieser stellaren Familie. Die hellsten und bläulich-weiß leuchtenden Mitglieder des Haufens sind massereiche, heiße Riesen, die ihr Energie verschwendendes Leben zwar viel schneller beenden werden als kleinere Sterne, aber jetzt den Haufen dominieren. Über Äonen hinweg wird die schwächere Gravitationsbindung eines offenen Haufens den gravitativen Störungen der Milchstraße und vorbeiziehender Wolken nachgeben. Die Sterne von M 52 werden sich allmählich voneinander trennen und einzeln ihre Bahnen um das Zentrum unserer Galaxie ziehen, bevor der Haufen sich vollständig auflöst.

M 52 bietet uns somit eine Momentaufnahme einer stellaren Jugendgruppe auf ihrem gemeinsamen Weg durch die Galaxis. Sein funkelndes, dichtes Erscheinungsbild entsteht durch die Lichtpunkte vieler Einzelsterne, die in unserem Teleskop aufgrund der großen Entfernung zu einem funkelnden Juwel am Himmel verschmelzen.

Name: Messier 52 (M 52), NGC 7654
Typ: Offener Sternhaufen
Trumpler-Typ : I2r
Sternbild : Kassiopeia
Entfernung: ca. 5.000 Lichtjahre
Alter: ca. 35 Millionen Jahre (sehr jung)
Anzahl Sterne: ca. 200
Durchmesser : ca. 19 Lichtjahre